Presseinformation
Eine kombinierte Subgruppenanalyse der ähnlichen Studien NOAH – AFNET 6 (1) und ARTESiA (2) ergab: Patient:innen mit Device-detektiertem Vorhofflimmern und gleichzeitiger Gefäßerkrankung haben ein höheres Risiko für Schlaganfälle und kardiovaskuläre Ereignisse und profitieren möglicherweise stärker von einer oralen Antikoagulation als ohne Gefäßerkrankung. Die Ergebnisse wurden von AFNET Lenkungsausschussmitglied Prof. Renate Schnabel, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Hamburg, Deutschland, auf dem Jahreskongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) in London am 02.09.2024 vorgestellt und im European Heart Journal (3) veröffentlicht.
Bei Device-detektiertem Vorhofflimmern handelt es sich um kurze und typischerweise seltene Episoden von Vorhofflimmern, die von Herzschrittmachern, Defibrillatoren oder implantierten Ereignisrekordern erkannt werden. Bei einem Fünftel aller Patient:innen mit einem am Herzen implantierten elektronischen Gerät kommt es zu Device-detektiertem Vorhofflimmern (4). Device-detektiertes Vorhofflimmern kann zu einem Schlaganfall führen, aber das Schlaganfallrisiko bei Device-detektiertem Vorhofflimmern scheint geringer zu sein als bei EKG-dokumentiertem Vorhofflimmern (1 Prozent pro Jahr).
Zwei aktuelle Studien, NOAH – AFNET 6 und ARTESiA, untersuchten den Nutzen einer Antikoagulation bei Menschen mit Device-detektiertem Vorhofflimmern und Schlaganfall-Risikofaktoren, aber ohne EKG-dokumentiertes Vorhofflimmern. In beiden Studien wurden die Teilnehmer:innen nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt, von denen die eine Gruppe eine Antikoagulation (Edoxaban in NOAH – AFNET 6 und Apixaban in ARTESiA) und die andere Gruppe keine Antikoagulation erhielt, mit dem Ziel, die Wirksamkeit und Sicherheit in beiden Gruppen zu vergleichen.
NOAH – AFNET 6 (Non vitamin K antagonist Oral anticoagulants in patients with Atrial High-rate episodes), eine vom AFNET durchgeführte Wissenschafts-initiierte Studie, wurde aufgrund einer erwarteten Zunahme von Blutungsereignissen bei Patient:innen mit Device-detektiertem Vorhofflimmern vorzeitig abgebrochen, während die Schlaganfall-verhindernde Wirkung geringer als erwartet ausfiel (1). Die schwache Wirkung der Antikoagulation wurde auch bei mehreren Untergruppen festgestellt, darunter Patient:innen mit langen Episoden von Device-detektiertem Vorhofflimmern (5), Patient:innen mit vielen Begleiterkrankungen (6) und Patient:innen mit einem früheren Schlaganfall (7).
ARTESiA (Apixaban for the Reduction of Thrombo-Embolism in Patients with Device-Detected Sub-Clinical Atrial Fibrillation) bestätigte die niedrige Schlaganfallrate bei Patient:innen mit Device-detektiertem Vorhofflimmern und zeigte eine geringe Schlaganfall-reduzierende Wirkung der Antikoagulation (2). Eine Meta-Analyse der Studien NOAH – AFNET 6 und ARTESiA bestätigte eine Zunahme von Blutungen und stellte eine geringe Abnahme von ischämischen Schlaganfällen unter Antikoagulation fest (8).
Prof. Schnabel, wissenschaftliche Leiterin der kombinierten NOAH – AFNET 6 / ARTESiA Subanalyse, die jetzt auf dem ESC Kongress vorgestellt wurde, erläutert den Hintergrund dieser Forschung: „Etwa die Hälfte der Patient:innen mit Device-detektiertem Vorhofflimmern hat eine begleitende Gefäßerkrankung, das heißt einen früheren Schlaganfall oder eine transitorische ischämische Attacke (TIA), eine koronare oder periphere Gefäßerkrankung. Das Hauptziel unserer vorab festgelegten Subgruppenanalyse bestand darin, festzustellen, ob Gefäßerkrankungen die Wirksamkeit und Sicherheit der oralen Antikoagulations-Therapie bei Patient:innen mit Device-detektiertem Vorhofflimmern beeinflussen. Die Ergebnisse aus NOAH – AFNET 6 wurden in einer vordefinierten Sekundäranalyse aus ARTESiA validiert und einer Meta-Analyse unterzogen.“
Etwa die Hälfte der Studienpopulation von NOAH – AFNET 6 und ARTESiA (56 Prozent in NOAH – AFNET 6; 46 Prozent in ARTESiA) hatte eine begleitende Gefäßerkrankung mit einer bestehenden Indikation für eine Acetylsalicylsäure-Therapie. Bei diesen Patient:innen traten Schlaganfall, Herzinfarkt, systemische oder Lungenembolie oder kardiovaskulärer Tod mit Antikoagulation seltener auf als ohne (3,9 Prozent gegenüber 5,0 Prozent pro Patientenjahr in NOAH – AFNET 6 und 3,2 Prozent gegenüber 4,4 Prozent pro Patientenjahr in ARTESiA). Ohne Gefäßerkrankung waren die Ergebnisse mit und ohne Antikoagulation gleich (2,7 Prozent pro Patientenjahr in NOAH – AFNET 6 und 2,3 Prozent pro Patientenjahr in ARTESiA in beiden Gruppen). Die Meta-Analyse ergab übereinstimmende Ergebnisse für beide Studien.
Die Antikoagulation führte zu einer vergleichbaren Zunahme schwerer Blutungen bei Patient:innen mit Gefäßerkrankungen (Edoxaban 2,1 Prozent pro Patientenjahr; keine Antikoagulation 1,3 Prozent pro Patientenjahr; Apixaban 1,7 Prozent pro Patientenjahr; keine Antikoagulation 1,1 Prozent pro Patientenjahr) und bei Patient:innen ohne Gefäßerkrankungen (Edoxaban 2,2 Prozent pro Patientenjahr; keine Antikoagulation 0,6 Prozent pro Patientenjahr; Apixaban 1,4 Prozent pro Patientenjahr; keine Antikoagulation 1,1 Prozent pro Patientenjahr).
Der Vorstandsvorsitzende des AFNET Prof. Paulus Kirchhof, UKE, wissenschaftlicher Leiter der NOAH – AFNET 6 Studie und, schlussfolgert: „Diese kombinierte NOAH – AFNET 6 und ARTESiA Subanalyse deutet darauf hin, dass die Antikoagulation unterschiedlich wirkt, je nachdem ob zusätzlich zum Device-detektierten Vorhofflimmern eine Gefäßerkrankung vorliegt oder nicht. In der Hochrisiko-Untergruppe der Patient:innen mit Device-detektiertem Vorhofflimmern und Gefäßerkrankungen scheint eine Antikoagulation thromboembolische Ereignisse stärker zu reduzieren als bei Patient:innen ohne Gefäßerkrankungen. Diese Daten können die gemeinsame klinische Entscheidungsfindung zur Antikoagulations-Therapie bei Patient:innen mit Device-detektiertem Vorhofflimmern unterstützen.“
Publikationen
(1) Kirchhof P, Toennis T, Goette A, et al. Anticoagulation with Edoxaban in Patients with Atrial High-Rate Episodes. N Engl J Med 2023; 389:1167-1179. DOI: 10.1056/NEJMoa2303062.
(2) Healey JS, Lopes RD, Granger CB et al. Apixaban for Stroke Prevention in Subclinical Atrial Fibrillation. N Engl J Med 2024; 390:107-117. DOI: 10.1056/NEJMoa2310234.
(3) Schnabel R et al. Anticoagulation in patients with device-detected atrial fibrillation with and without concomitant vascular disease – A combined secondary analysis of the NOAH-AFNET 6 and ARTESiA trials. Eur Heart J, accepted. DOI: 10.1093/eurheartj/ehae596
(4) Toennis T, Bertaglia E, Brandes A, et al. The influence of Atrial High Rate Episodes on Stroke and Cardiovascular Death - An update. Europace. 2023 Jul 4;25(7). DOI: 10.1093/europace/euad166.
(5) Becher N, Toennis T, Bertaglia E, et al. Anticoagulation with edoxaban in patients with long Atrial High-Rate Episodes ≥24 hours. Eur Heart J. 2024 Mar 7;45(10):837-849. DOI: 10.1093/eurheartj/ehad771
(6) Lip YH, Nikorowitsch J, Sehner S et al. Oral anticoagulation in device-detected atrial fibrillation: effects of age, sex, cardiovascular comorbidities, and kidney function on outcomes in the NOAH-AFNET 6 trial. Eur Heart J. 2024 April 9. DOI: 10.1093/eurheartj/ehae225
(7) Diener HC, Becher N, Sehner S, Toennis T et al. Anticoagulation in patients with device-detected atrial fibrillation with and without a prior stroke or transient ischemic attack. The NOAH-AFNET 6 trial. JAHA, in press.
(8) McIntyre WF, Benz AP, Becher N, et al. Direct Oral Anticoagulants for Stroke Prevention in Patients with Device-Detected Atrial Fibrillation: A Study-Level Meta-Analysis of the NOAH-AFNET 6 and ARTESiA Trials. Circulation. 2023. DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.123.067512
Finanzielle Unterstützung der NOAH-AFNET 6 Studie: AFNET, DZHK, Daiichi Sankyo
Registrierung: NCT 02618577, ISRCTN 17309850
Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET)
Das Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET) ist ein interdisziplinäres Forschungsnetz, in dem Wissenschaftler:innen und Ärzt:innen aus Kliniken und Praxen deutschlandweit zusammenarbeiten. Ziel des Netzwerks ist es, die Behandlung und Versorgung von Patient:innen mit Vorhofflimmern in Deutschland, Europa und weltweit durch koordinierte Forschung zu verbessern. Dazu führt das Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. wissenschaftsinitiierte, nicht-kommerzielle, klinische Studien (investigator initiated trials = IIT) und Register auf nationaler und internationaler Ebene sowie translationale Forschungsprojekte durch. Der Verein ist aus dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Kompetenznetz Vorhofflimmern hervorgegangen. Seit Januar 2015 werden einzelne Projekte und Infrastrukturen des AFNET vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) sowie einige Projekte aus EU-Forschungsmitteln gefördert. Das AFNET verfügt über langjährige Erfahrung in der Behandlung von Vorhofflimmern, unterstützt aber auch Forschungsarbeiten in anderen Bereichen, die für die kardiovaskuläre Versorgung relevant sind. Die Erkenntnisse aus der mittlerweile 20jährigen klinischen und translationalen Forschung des Forschungsnetzes haben das Leben von Patient:innen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbessert und Behandlungsleitlinien beeinflusst.
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