Menschen mit Device-detektiertem Vorhofflimmern und mehreren Begleiterkrankungen profitieren nicht von Antikoagulation

Presseinformation

Bei Patient:innen mit Device-detektiertem Vorhofflimmern und mehreren Begleiterkrankungen führt die orale Antikoagulation zu mehr Blutungen, ohne dass es zu einer deutlichen Verringerung der Schlaganfallhäufigkeit kommt. Dies ist das Hauptergebnis einer Subanalyse der NOAH – AFNET 6 Studie, die von Dr. Julius Nikorowitsch vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Hamburg, in einer Late-breaking Science Session beim Jahreskongress der European Heart Rhythm Association (EHRA) in Berlin heute vorgestellt und gleichzeitig im European Heart Journal veröffentlicht wurde (1).

Device-detektiertes Vorhofflimmern bezeichnet kurze und typischerweise seltene Episoden von Vorhofflimmern, die von Herzschrittmachern, Defibrillatoren und implantierten Ereignisrekordern erkannt werden, die eine kontinuierliche Rhythmusüberwachung ermöglichen. Bei einem Fünftel aller Patient:innen mit einem am Herzen implantierten elektronischen Gerät kommt es zu Device-detektiertem Vorhofflimmern (2). Device-detektiertes Vorhofflimmern kann zu einem Schlaganfall führen, aber das Schlaganfallrisiko bei Device-detektiertem Vorhofflimmern scheint geringer zu sein als bei EKG-dokumentiertem Vorhofflimmern.

Kürzlich wurde in der NOAH – AFNET 6-Studie (Non-Vitamin-K-Antagonist Oral Anticoagulants in Patients with Atrial High-Rate Episodes) festgestellt, dass eine Antikoagulation bei Patient:innen mit Device-detektiertem Vorhofflimmern Blutungsereignisse wie erwartet erhöhte, während die Schlaganfall-verhindernde Wirkung geringer als erwartet war (3). Dies gilt sogar für Menschen mit langen Episoden von Device-detektiertem Vorhofflimmern (4). Eine Metaanalyse von NOAH – AFNET 6 bestätigte einen Anstieg der Blutungen und stellte eine leichte Verringerung ischämischer Schlaganfälle unter Antikoagulation fest (5).

Dr. Nikorowitsch erklärt: „Höheres Alter, weibliches Geschlecht, Nierenerkrankungen, Diabetes, Herzinsuffizienz und andere Begleiterkrankungen erhöhen das Risiko unerwünschter kardiovaskulärer Folgen. Wir waren daran interessiert, ob bei Patient:innen mit mehreren dieser Risikofaktoren und Device-detektiertem Vorhofflimmern eine orale Antikoagulation die Häufigkeit von kardiovaskulären Ereignissen senken könnte. Um dieses Problem anzugehen, haben wir eine vorab festgelegte Sekundäranalyse des NOAH – AFNET 6 Datensatzes durchgeführt.“

In der NOAH – AFNET 6 Studie wurden 741 ältere Patient:innen (Durchschnittsalter 79 Jahre, 52 Prozent Frauen) mit Device-detektiertem Vorhofflimmern und mehreren Begleiterkrankungen (CHA2DS2-VASc >4) in zwei Gruppen untersucht, wobei die Teilnehmer:innen der einen Gruppe eine Antikoagulation mit Edoxaban, die der andern Gruppe keine Antikoagulation erhielten. Dies liegt außerhalb der zugelassenen Indikation für Edoxaban. Ohne Antikoagulation war die Schlaganfallrate niedrig (1,3 Prozent pro Jahr). Die Antikoagulation reduzierte thromboembolische Ereignisse nicht wesentlich, erhöhte jedoch Blutungen und Todesfälle in dieser Patient:innengruppe. Höheres Alter, Diabetes und Nierenerkrankungen waren unabhängig voneinander mit Schlaganfällen, systemischen Embolien oder kardiovaskulären Todesfällen verbunden. Antikoagulation, Alter, Herzinsuffizienz, Diabetes, früherer Schlaganfall und Nierenerkrankung gingen mit schweren Blutungen oder Todesfällen einher.

Prof. Paulus Kirchhof, UKE, wissenschaftlicher Leiter der NOAH – AFNET 6 Studie, kam zu dem Schluss: „Die Ergebnisse stimmen mit denen der Hauptstudie überein: Die Schlaganfallrate bei Patient:innen mit Device-detektiertem Vorhofflimmern ist niedrig, selbst bei mehreren Begleiterkrankungen. Die Antikoagulation hatte nur einen geringen Einfluss auf Schlaganfälle und systemische Embolien. Unsere Ergebnisse können zusammen mit anderen Daten und unter Berücksichtigung der Einschränkungen aller Subgruppenanalysen dazu beitragen, die sichere und wirksame Anwendung oraler Antikoagulanzien bei Menschen mit Device-detektiertem Vorhofflimmern und mehreren Schlaganfallrisikofaktoren in der klinischen Praxis und in zukünftigen Leitlinien anzupassen. Sie werfen außerdem die Frage nach neuen Methoden zur Identifizierung von Patient:innen mit Device-detektiertem Vorhofflimmern und hohem Schlaganfallrisiko auf, die von einer Antikoagulation profitieren könnten.“

 

Publikationen

(1) Lip YH, Nikorowitsch J, Sehner S et al. Oral anticoagulation in device-detected atrial fibrillation: effects of age, sex, cardiovascular comorbidities, and kidney function on outcomes in the NOAH-AFNET 6 trial. Eur Heart J. 2024 April 9. DOI: 10.1093/eurheartj/ehae225

(2) Toennis T, Bertaglia E, Brandes A, et al. The influence of Atrial High Rate Episodes on Stroke and Cardiovascular Death - An update. Europace. 2023 Jul 4;25(7). DOI: 10.1093/europace/euad166.

(3) Kirchhof P, Toennis T, Goette A, et al. Anticoagulation with Edoxaban in Patients with Atrial High-Rate Episodes. N Engl J Med 2023;389(13):1167-1179. DOI: 10.1056/NEJMoa2303062.

(4) Becher N, Toennis T, Bertaglia E, et al. Anticoagulation with edoxaban in patients with long Atrial High-Rate Episodes ≥24 hours. Eur Heart J. 2024 Mar 7;45(10):837-849. DOI: 10.1093/eurheartj/ehad771

(5) McIntyre WF, Benz AP, Becher N, et al. Direct Oral Anticoagulants for Stroke Prevention in Patients with Device-Detected Atrial Fibrillation: A Study-Level Meta-Analysis of the NOAH-AFNET 6 and ARTESiA Trials. Circulation. 2023. DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.123.067512

 

 

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Das Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET) ist ein interdisziplinäres Forschungsnetz, in dem Wissenschaftler:innen und Ärzt:innen aus Kliniken und Praxen deutschlandweit zusammenarbeiten. Ziel des Netzwerks ist es, die Behandlung und Versorgung von Patient:innen mit Vorhofflimmern in Deutschland, Europa und weltweit durch koordinierte Forschung zu verbessern. Dazu führt das Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. wissenschaftsinitiierte, nicht-kommerzielle, klinische Studien (investigator initiated trials = IIT) und Register auf nationaler und internationaler Ebene sowie translationale Forschungsprojekte durch. Der Verein ist aus dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Kompetenznetz Vorhofflimmern hervorgegangen. Seit Januar 2015 werden einzelne Projekte und Infrastrukturen des AFNET vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) sowie einige Projekte aus EU-Forschungsmitteln gefördert. Das AFNET verfügt über langjährige Erfahrung in der Behandlung von Vorhofflimmern, unterstützt aber auch Forschungsarbeiten in anderen Bereichen, die für die kardiovaskuläre Versorgung relevant sind. Die Erkenntnisse aus der mittlerweile 20jährigen klinischen und translationalen Forschung des Forschungsnetzes haben das Leben von Patient:innen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbessert und Behandlungsleitlinien beeinflusst.

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